Wednesday, November 15, 2006

Zeitzeugengespräch mit Yehuda Bacon

So, mein zweiter Gastbeitrag, meine schöne Zeit hier ist nämlich bald um. Diesmal berichte ich von einem Zeitzeugengespräch mit Yehuda Bacon der im Rahmen der Aktion Sühnezeichen vor einer Gruppe von Jugendlichen aus Esslingen gesprochen hat.

Yehuda Bacon wurde 1929 in Mähren geboren und merkte schon in jungen Jahren immer mehr von der Verfolgung der Juden, besonders im Gedächtnis sind ihm die bis dato schwer begreiflichen Suizide gebildeter Menschen geblieben, die damals schon eine leise Vorahnung zu haben schienen, von dem, was kommen sollte. Als erstes merkliches Zeichen galt, dass jüdische Familien ihre Wohnungen an Deutsche zu vermieten hatten, so auch die Bacons. Es zog eine nette deutsche Familie ein, man lebte quasi unter einem Dach. Eines Abends kam der Sohn, ein Offizier, nach Hause und unterbrach die Bacons beim Abendbrot. Er sah die Familie am Tisch sitzen, Yehuda dagegen saß auf einem Schrank neben dem Tisch, als der Offizier meinte: „ Um euch mache ich mir keine Sorgen, ihr werdet eh alle sterben, aber um dich“ und zeigt auf Yehuda „um dich mach ich mir Sorgen, was aus dir werden soll.“ In den darauffolgenden Wochen wurde die Verfolgung immer spürbarer, die Rechte immer mehr eingeschränkt. Sämtliche Juden hatten ihre Stöcke abzugeben. Wieso das noch wichtig ist, möchte ich, genauso, wie Yehuda Bacon es getan hat, später erzählen. Schließlich fand die Umsiedlung nach Theresienstadt statt, in normalen, zwar gefüllten, aber immerhin normalen Waggons.
Gedanken an das letzte Mal als man an einem Tisch saß, Gedanken an das, was kommen könne.
In Theresienstadt angekommen wurden sie selektiert, nach Jung und Alt, Männlich und Weiblich. Auch dies sollte zur Gewöhnung werden. Yehuda hatte Glück und wurde in ein Kinderheim gebracht, in dem es ihm merklich besser gehen sollte als den anderen Kindern in seinem Alter. Zu Propagandazwecken gut behandelt. Nach einiger Zeit wurden sie jedoch wieder deportiert, jedoch diesmal wurden sie wie Vieh behandelt, 3 unerträgliche Tage in einem Viehwaggon dauerte die Reise, zusammengepfercht, mit nur einem Eimer Wasser und einem Leib Brot, bei Eiseskälte. Viele überlebten dies nicht, und kamen in den Waggons ums Leben. Die Reise endete in Auschwitz, wie wir heute wissen für die meisten die letzte Station. Hier fand wieder eine Selektion statt, die total ausgehungerten, todesängstlichen, schreienden Menschen wurden von den SS Offizieren darauf hingewiesen, dass sie jetzt noch die Chance haben sich in den Zaun zu schmeißen, was viele taten und wovon Yehuda Bacon bis heute noch malt. Die anderen wurden von den Offizieren mit Stöcken geschlagen, genau den Stöcken, die sie vorher abgeben mussten. Weitere Akte jener kranken Psychologie folgten immer wieder. Auch bei dieser erneuten Selektion hatte Yehuda Bacon Glück. „Kindersonderstation“ hieß es diesmal. Wieder zu Propagandazwecken, für gelegentliche Besuche des Roten Kreuzes, zur Täuschung. Den Kindern ging es auch hier merklich besser als den anderen. Da er hier Block des „Sonderkommandos“ war, sollte er bald das volle Leid der anderen Häftlinge erfahren, und die Grausamkeit der Nazis. Die Aufgabe der Kinder war, Transporte mit einem Holzwagen zu erledigen, was bedeutete auch Sachen aus den Gaskammern abzuholen sowie in durch die Gefangenenlagern zu fahren. Er war bereits als kleiner Junge Bildern ausgesetzt, die man sich in den schlimmsten Albträumen nicht ausmalen möchte. So sah er die Berge der Haare, der Schuhe, der Kleidung, musste diese transportieren. Im Winter durfte er sich in der Gaskammer „aufwärmen“, merkte sich all diese Orte ganz genau und speicherte sie ab. Yehuda Bacon hatte durch diese Arbeit aber auch die Möglichkeit anderen Gefangenen zu helfen. So schmuggelte er ab und an ein belegtes Brot, was zu dieser Zeit Gefangenenlagern unvorstellbar war, zu Verwandten. Auch Lippenstift, damit sich die Frauen etwas rot auf Wangen und Lippen auftragen um bei der nächsten Selektion gesünder zu wirken. Diese Verwandten überlebten Auschwitz. Transport von den Haaren, den Zähnen. An seiner Seite war immer sein Freund, der er bis heute geblieben ist.
Er war noch in zwei weiteren Lagern, Mauthausen war sein letztes. Bei der Befreiung entschlossen er und sein Freund sich, in die Schweiz zu gehen. Doch bei der körperlichen Schwäche und der Magerkeit von 35 Kilo wurden sie in Österreich in ein Spital gebracht und konnten sich wieder aufbauen, körperlich, die seelischen Schmerzen lassen sich wohl nie regenerieren. Er erinnert sich noch an das erste Mal als er Leute sah, die an einem Tisch saßen, und an sein erstes Mal in einem Stuhl an einem Tisch zu sitzen. Und an das, was er gesehen hat, im Alter zwischen 10 und 16, Leichen, Massengräber…

Nach seiner Befreiung hat Yehuda Bacon angefangen Kunst zu studieren, was schon immer sein Traum war, ist heute ein bekannter Künstler. Er ist nach Israel gegangen, hat jedoch trotz alle seiner Erlebnisse Deutschland immer wieder besucht.

Durch die genaue Aufzeichnung des Lagers, half er beim Eichmann Prozess als Zeuge zur Verurteilung.
Seine Bilder sind seine Art der Verarbeitung und sollen gleichzeitig ein Mahnmal sein, sind teilweise im YadVashem ausgestellt.

Yehuda Bacon ist heute 77 Jahre alt und lebt in Jerusalem.


Es gab mehrere Dinge die mich bei diesem Gespräch fasziniert haben. Da er nicht chronologisch erzählte, hatte das Gespräch etwas sehr lebendiges. Er hat niemals irgendeinen Vorwurf geäußert, ging mit einem Lachen aus dem Gespräch, was er auch auf die Zuhörer übertragen hat. Da die Gruppe der Zuhörer teils aus sehr jungen Leuten bestand, hat er sehr eingehend geantwortet.
An seiner Geschichte hat mich die Solidarität, die zwischen den Gefangenen herrschte, sehr beeindruckt. Obwohl man selbst kaum zu essen hat, doch noch etwas abzugeben. Besonders die bildlichen Erinnerungen, beispielsweise wieder nach langer Zeit an einem Tisch zu sitzen, die er mit einem verträumten Blick erzählte, fand ich sehr eindringlich.

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